Daniel Reumiller ist die Stimme der Schweizer Berufsberatung. Im doppelten Wortsinn. Er ist oberster Berufs- und Laufbahnberater und Opernsänger (siehe Box). Bühne frei für einen, der zwei Berufe in seiner Brust hat.
Rolf Marti

Daniel Reumiller: Sie leiten die Berufsberatungs- und Informationszentren des Kantons Bern. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Arbeitssituation?
Sehr. Ich habe den besten Job, den man beim Kanton Bern haben kann. Meine Arbeit ist sinnstiftend und abwechslungsreich. Zudem pflege ich als Präsident der Schweizerischen Konferenz für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung viele nationale und internationale Kontakt – ein Job-Enrichment.
Sie haben in einem Interview gesagt, die obige Frage sollten sich alle Erwerbstätigen stellen. Was, wenn die Antwort «Nein» lautet?
Dann sollte man in die Laufbahnberatung gehen. 50 Prozent der Erwerbstätigen sind mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden. Wir verbringen zu viel Lebenszeit mit Arbeit, um das einfach hinzunehmen. Nur für Geld arbeiten: Das lohnt sich nicht.
Hauptberuflich arbeiten Sie für die BIZ, nebenberuflich singen Sie Opern. Hand aufs Herz: Wofür schlägt Ihr Herz mehr?
Tagsüber für die BIZ, abends für die Oper.
Als Sänger wissen Sie: «C’est le ton qui fait la musique». Wann haben Sie sich zum letzten Mal im Ton vergriffen – im Job, auf der Bühne oder anderswo?
In meinem Büro wird es laut, wenn mein Computer nicht tut, was ich will. Da vergreife ich mich regelmässig im Ton. Auf der Bühne ist ein falscher Ton weniger schlimm als gar kein Ton. Das würde bedeuten, dass ich meinen Einsatz verpasst hätte.
Bitte vervollständigen Sie die folgenden Satzanfänge. Wenn ein 13-Jähriger mir sagen würde, er wolle Opernsänger werden, dann …
... würde ich mich freuen und ihm empfehlen, in den Kinderchor eines Theaters einzutreten und Opernluft zu schnuppern. Man sollte sich von jedem Beruf ein realistisches Bild machen. Wenn der junge Mann danach immer noch Opernsänger werden will: Go for it. Allerdings muss man zuerst eine Lehre oder eine Mittelschule absolvieren, bevor man an die Hochschule der Künste kann.
Wenn eine 13-Jährige mir sagen würde, sie wolle Berufsberaterin werden, dann …?
... wäre ich erstaunt. Berufsberaterin ist eine tertiäre Weiterbildung, setzt also eine Lehre oder eine Mittelschule und in der Regel ein vorgängiges Hochschulstudium voraus. Zudem würde ich raten, Arbeitswelterfahrung zu sammeln. Wer Leute zur Arbeitswelt beraten will, sollte sich damit auskennen.
Sie haben Informatik und Wirtschaftswissenschaften studiert. Was nützt das auf der Bühne?
Informatik hilft beispielsweise bei der Vermarktung, weil man als Sänger eine Website braucht. Oder beim Erstellen von Arrangements mit spezialisierten Programmen und vielem mehr. Wirtschaftskenntnisse sind eher hinderlich für eine Bühnenkarriere. Man versteht rasch: Kunst ist hartes Brot. Ohne Wirtschaftsstudium hätte ich mich vielleicht eher getraut, ganz auf die Karte Kunst zu setzen.
Eine knifflige Frage: Was kann ein Bass gegen den allgemeinen Tenor ausrichten?
Tenöre singen schön, haben aber meist langweilige Rollen. Bässe spielen Bösewichte und kommen damit beim Publikum oft besser an. Auf der Bühne kann ich meine dunklen Seiten ausleben und dafür im normalen Leben ein liebenswürdiger Mensch sein (lacht).
Letzte Frage: Werden Opernsänger auch pensioniert?
Es gibt kein offizielles Alterslimit. Pavarotti gab noch mit 70 Jahren den jungen Liebhaber. Man muss selber erkennen, wann die Grenze zur Peinlichkeit überschritten ist.
Zur Person
Daniel Reumiller leitet seit 2012 die Berufsberatungs- und Informationszentren (BIZ) des Kantons Bern und ist seit 2016 Präsident der Schweizerischen Konferenz für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (SK BSLB). Nebenberuflich steht er seit 2003 als Opernsänger (Bass) auf der Bühne. Daniel Reumiller studierte Informatik und Wirtschaftswissenschaften. Später absolvierte er Ausbildungen in klassischem Gesang und in Operndarstellung. Vor seinem Wechsel in die Berufsberatung war er Dozent und Abteilungsleiter an der damaligen Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft.
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