Erzieher, Expertin, Beurteiler, Kollegin, Polizist: Berufsbildende tragen bei der Arbeit mit ihren Lernenden viele Hüte. Im Berufsbildnerkurs lernen sie, diese zu erkennen und bewusst zu wechseln. Im Gespräch mit Kursleiter Dominik von Känel.
Peter Brand

Herr von Känel, Sie führen regelmässig Berufsbildnerkurse durch. Für welche Institutionen tun Sie das?
Ich arbeite für die be-med. Das ist die Berner Berufsfachschule für medizinische Assistenzberufe. Weiter bin ich als Freelancer für das Kompetenzzentrum berufsbildner.ch im Einsatz und gebe Berufsbildner- sowie Praxisbildnerkurse am KV Baden. Ich bin seit bald 25 Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der Berufsbildung tätig und unterrichte sehr gerne. Ich mag es, meine Erfahrung weiterzugeben und angehende Berufsbildende auf ihre Aufgabe vorzubereiten.
Was bringen Sie den Kursteilnehmenden bei?
Ich vermittle ihnen die fachlichen, technischen und überfachlichen Kompetenzen für ihre künftige Tätigkeit. Wir arbeiten gemeinsam daran, wie sie ihre Lernenden umfassend durch die Lehre begleiten können. Ich zeige ihnen unter anderem, wie sie den Umgang mit Lernenden gestalten, wie sie Lernende auswählen, fördern und beurteilen und wie sie Ausbildungseinheiten gemäss Bildungs- und Rahmenlehrplan planen, durchführen und evaluieren können.
Einer der Kursinhalte ist die «Doppelrolle Berufsbildner/in und Erzieher/in»? Was ist damit gemeint?
Die Rolle der Berufsbildenden besteht heute nicht mehr nur darin, Lehrmeisterin und Lehrmeister zu sein. Sie müssen da sein für ihre Lernenden, wenn es das braucht und der jungen Generation entdeckendes Lernen ermöglichen. Die Berufsbildenden tragen daher viele verschiedene Hüte – nicht nur die zwei erwähnten, sondern auch diejenigen der Expertin oder des Experten, der Beurteilerin oder des Beurteilers, der Kollegin oder des Kollegen und auch mal der Polizistin oder des Polizisten. Erzieherin oder Erzieher sind sie dann, wenn sie eine Rolle übernehmen, die normalerwiese von den Eltern wahrgenommen wird. Erziehen in einem Businessumfeld heisst zum Beispiel auch, auf Pünktlichkeit und auf eine gewisse Wortwahl zu bestehen. Es geht darum, den Lernenden Werte mitzugeben, die in der Arbeitswelt nützlich sind.
Was müssen die Kursteilnehmenden in Bezug auf ihre Rollenvielfalt wissen?
Es ist wichtig zu verstehen, dass sie verschiedene Hüte tragen und dass sie diese je nach Situation wechseln dürfen. Sie dürfen mal hart bewerten und auf etwas Bestimmtem bestehen, sie dürfen sich aber auch mal kollegial geben. Gute Berufsbildende wechseln bewusst zwischen den Rollen hin und her. Dabei ist es hilfreich, die Lernenden wissen zu lassen, in welcher Rolle sie gerade zu ihnen sprechen. Also beispielsweise: Das sage ich dir jetzt als Beurteiler oder als Kollegin. Damit die Berufsbildenden nicht alle schwierigen Situationen mit nach Hause tragen und dort nicht mehr abschalten können, müssen sie alle Hüte bewusst ablegen, bevor sie am Abend nach Hause gehen. Auch das gehört dazu.
Wie wichtig ist es, transparent und authentisch zu sein?
Das sind zwei sehr wichtige Dinge. Junge Menschen haben feine Antennen. Sie spüren genau, ob das, was gesagt wird, auch so gemeint ist. Also bleibt man am besten ehrlich und transparent und wirkt so authentisch. Es ist besser, ihnen klar zu sagen, dass die Leistung diesmal nicht stimmt, anstatt mit einem nichtssagenden «nicht so schlecht» auszuweichen. Letzteres hiesse dann für sie, dass sie weitermachen können wie bisher. Wir üben im Kurs anhand konkreter Praxisbeispiele. Die Kursteilnehmenden erkennen sich sofort in diesen Rollen, staunen aber oft über deren Vielfalt.
Berufsbildende sorgen hauptsächlich dafür, dass Lernende am Ende ihrer Ausbildung über die erforderlichen QV-relevanten Kompetenzen verfügen. Wie sehr soll/darf ihre Unterstützung auch das private Umfeld tangieren?
Berufsbildende dürfen ein offenes Ohr haben für die Sorgen der Lernenden und sich mit ihnen darüber austauschen. Das hat aber auch klare Grenzen. Merken die Berufsbildenden, dass es um tieferliegende Probleme geht, und spüren sie, dass sie ans Limit kommen, sollten sie die entsprechenden Fachleute ins Spiel bringen, also den Hut der Übermittlungsperson aufsetzen. Sie sind keine Psychologen oder Suchtfachleute.
Mit dem kostenlosen Newsletter-Abonnement verpassen Sie keinen Beitrag im Berufsbildungsbrief. Der Newsletter erscheint fünf- bis sechsmal pro Jahr.
Jede Woche erscheint in Berner Tageszeitungen der «Einsteiger» – ein redaktioneller Beitrag zu den Themen Berufswahl, Berufsbildung, Mittelschulbildung, Weiterbildung.