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Sicherer Übergang 2 – Die Begleitung beginnt mit dem ersten Tag der Ausbildung

Der Übergang von Lehre in Beruf ist anspruchsvoll. Wie können die Lehrbetriebe ihre Lernenden in dieser Phase zielführend unterstützen? Nachgefragt bei Michelle Schmied und Aron Oggier. Sie ist Verantwortliche Berufsbildung bei der Stämpfli AG, er Berufsbildungsbeauftragter der Stadt Bern.

Peter Brand

Im Laufbahngespräch mit einer Lernenden: Michelle Schmied.

Frau Schmied, wie viele Lernende und in welchen Berufen bildet die Stämpfli AG zurzeit aus?
Michelle Schmied: Wir bilden 29 Lernende in den Berufen Logistiker/in, Polygraf/in, Medientechnologe/-login, Printmedienverarbeiter/in, Mediamatiker/in, Informatiker/in und Kaufmann/Kauffrau aus.

Herr Oggier, und wie sieht das bei der Stadt Bern aus?
Aron Oggier: Bei uns sind aktuell 200 Lernende in 20 verschiedenen Lehrberufen in Ausbildung. Darunter finden sich zum Beispiel Kaufleute, Fachpersonen Kinderbetreuung, Gärtner, Fachleute Betriebsunterhalt, Küchenangestellte oder Geomatikerinnen.

Wie wichtig ist es in Ihren Augen, die Lernenden am Übergang 2 zu unterstützen?
Schmied: Sehr wichtig. Sie befinden sich an einem entscheidenden Punkt ihres Berufslebens und müssen sich klarwerden, wie es für sie weitergeht.
Oggier: Ich sehe das genauso. Das ist eine wichtige Schnittstelle. Je früher die Karriereplanung der Lernenden bekannt ist, umso früher können mögliche Anschlusslösungen abgeklärt werden.

Aron Oggier, Berufsbildungsbeauftragter der Stadt Bern.

Wann und in welcher Form setzt diese Begleitung in ihrem Betrieb ein?
Oggier: Die direkte Begleitung beginnt ab dem letzten Ausbildungsjahr. Indirekt startet sie im Austausch mit den Berufsbildenden bereits früher. Das Thema Zukunftsplanung fliesst in die Gespräche zwischen den Lernenden und den Berufsbildenden mit ein. Daneben bieten wir im Abschlussjahr spezifische Kurse an. Einer richtet sich an Lernende, die ihre Berufswahl aktiv planen möchten. Ein anderer bietet Support zum Bewerbungsschreiben. Dabei können die Lernenden Stelleninserate interpretieren, verschiedene Bewerbungsformen kennenlernen und ihre eigenen Bewerbungsunterlagen prüfen und aufwerten. Aktuell startet in der Präsidialdirektion ein Pilotprojekt zur individuellen Begleitung der Lernenden durch Studierende des Masterstudiums Laufbahn- und Personalpsychologie der Universität Bern.

Schmied: Bei uns beginnt die Begleitung mit dem ersten Tag der Ausbildung. Ziel ist es, die Lernenden möglichst praxisnah auszubilden, damit sie nach der Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt bestehen. Um dies in einigen Lehrberufen zu fördern, haben wir 2019 die Next Generation gegründet. In diesem kleinen Unternehmen im Unternehmen lernen angehende Berufsleute die Herausforderungen eines modernen Betriebs kennen und entwickeln Eigenverantwortung. Sie akquirieren Aufträge selbstständig, erstellen Offerten, sorgen für die Projektplanung und Ausführung der Aufträge und stellen die Einhaltung der Kosten sicher. Im letzten halben Jahr suchen wir das Gespräch mit den Lernenden und schauen, wie ihr Weg weitergehen könnte. Will jemand bleiben, prüfen wir die Möglichkeiten. Die Lernenden können mit uns auch ihre Bewerbungsunterlagen optimieren, ein Vorstellungsgespräch üben oder ein Zwischenzeugnis für die Bewerbung einfordern.

Ihre Erfahrung: Finden die Lernenden überhaupt Zeit und Energie, neben dem Lehrabschluss an ihrer beruflichen Weiterentwicklung zu arbeiten?
Schmied: Der Lehrabschluss mit dem Qualifikationsverfahren ist eine ausserordentliche Drucksituation. Vieles kommt zusammen und will bewältigt werden. Parallel dazu sollte man sich Gedanken über die Zukunft machen und eine Anschlusslösung finden. Das ist sehr anspruchsvoll. Einige Lernende brauchen auf diesem Weg mehr Unterstützung. Gleichzeitig lernen sie im letzten Semester viel über Flexibilität und Beweglichkeit. Beides sind wichtige Berufskompetenzen.

Oggier: Die Lernenden bereiten sich sehr unterschiedlich auf ihre berufliche Weiterentwicklung vor. Das merken wir insbesondere beim Bewerbungskurs. Einzelne haben sich bereits intensiv mit der Zukunft auseinandergesetzt und ihre Bewerbung dahingehend verfasst. Bei anderen erinnert das Schreiben noch stark an die frühere Lehrstellenbewerbung. Es hängt wesentlich damit zusammen, welche Anschlusslösungen die Lernenden in Betracht ziehen. Steht beispielsweise ein Auslandaufenthalt oder Militärdienst an, steht die Zukunftsplanung nicht zwingend zuoberst auf der Prioritätenliste und für einzelne steht zuerst klar das Qualifikationsverfahren im Fokus.

Ihre Tipps an andere Lehrbetriebe zum Thema Übergang von der Lehre in den Beruf?
Oggier: Die berufliche Zukunftsplanung muss unbedingt in die Gespräche mit den Lernenden einfliessen. Dabei muss frühzeitig abgeklärt werden, ob eine Weiterbeschäftigung möglich ist. Dazu tauschen wir uns in den Berufsbildungskonferenzen mit allen fünf Direktionen aus und antizipieren, in welchen Bereichen Stellen frei werden. Neben unbefristeten Stellen bieten wir auch befristete an, wenn die Lernenden beispielsweise eine Weiterbildung in Angriff nehmen und Teilzeit arbeiten möchten. Die Stadt Bern beschäftigt rund 40 Prozent ihrer Lernenden weiter.

Schmied: Meine Berufsbildenden sollen ihren Job mit Freude und Leidenschaft ausüben und die Lernenden zu guten Berufsleuten befähigen. Die Entwicklung der Lernenden steht dabei an erster Stelle. Hierzu gehört, den eigenen Status zugunsten der Lernenden in den Hintergrund zu stellen, sodass die Jungen mehr lernen und mehr Verantwortung übernehmen können. Dieses Vertrauen danken sie mit mehr Engagement und Einsatz. Wichtig ist auch das Zwischenmenschliche: Die Berufsbildenden müssen spüren, wer gerade etwas schwimmt und daher mehr Unterstützung braucht.

Weiterführende Links

  • Berufsbildung Stämpfli AG

  • Berufsbildung der Stadt Bern

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