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Berufsabschluss für Erwachsene – «Ich kann Betriebe nur ermuntern, diese Ausbildung anzubieten»

Die Spitex Ostermundigen ermöglicht Mitarbeitenden, eine verkürzte Grundbildung Fachfrau/Fachmann Gesundheit (FaGe) für Erwachsene zu absolvieren. Leiterin Esther Gingold erläutert im Gespräch die Details dieses Engagements.

Peter Brand

«Erwachsene Lernende sind motiviert, wollen lernen, vorwärtskommen und sich beweisen»: Esther Gingold.

Frau Gingold, was motiviert die Spitex Ostermundigen, Erwachsene zum FaGe-Berufsabschluss zu führen?
Wir verstehen uns als Aus- und Weiterbildungsbetrieb und bilden seit Jahren viele Lernende aus – und zwar jugendliche und erwachsene. Wir nehmen mit den Mitarbeitenden eine Karriereplanung vor und zeigen ihnen mögliche Perspektiven auf. Uns ist wichtig, dass sie beruflich dort stehen, wo sie stehen möchten, und allenfalls weitere Entwicklungsschritte angehen können. Bei uns arbeiten viele Pflegehelferinnen mit Familienpflichten. Sie verfügen über einen SRK-Kurs-Abschluss und arbeiten auf der untersten Qualifikationsstufe. Das sind wertvolle Mitarbeitende, weil sie Grundpflegearbeiten verrichten und nahe an der Kundschaft sind.

Welche Vorteile bringt dem Betrieb ein solches Engagement?
Mitarbeitende auszubilden und sie zu halten, ist eine hervorragende Massnahme gegen den Fachkräftemangel. Es ist auch ein Vorteil für den Betrieb, denn er sichert den Verbleib von motivierten und treuen Mitarbeitenden. Diese sind zudem wertvolle Vorbilder für all jene, die beruflich etwas machen möchten, aber nicht so recht wissen, ob sie sich darauf einlassen wollen. Die Arbeitskolleginnen machen vor, wie es gehen könnte und ermutigen so, die eigene Laufbahn weiterzuentwickeln.

Was bedeutet die Ausbildung an Zusatzaufwand?
Erwachsene Lernende brauchen nicht mehr Betreuung und Unterstützung als jugendliche. Im Gegenteil: Sie sind motiviert, wollen lernen, vorwärtskommen und sich beweisen. Unsere Rolle besteht eher darin, sie zu coachen. Ich kann Betriebe nur ermuntern, diese Ausbildung anzubieten.

Wenn Sie an die Selektion denken: Welchen Mitarbeitenden geben Sie eine Chance?
Jemand muss zwei Jahre im Betrieb sein, zu 80 Prozent gearbeitet und alle Arten von Diensten geleistet haben, also Tag-, Abend- und Wochenenddienste. So haben wir Gewähr, dass jemand alle Kundensituationen erfassen und abdecken kann. In der täglichen Arbeit sehen wir, ob wir jemandem die Ausbildung zutrauen oder nicht. Wichtige Kompetenzen sind Belastbarkeit, Durchhaltewille und gute Auffassungsgabe. Zudem sollten ausreichende Sprachkenntnisse vorhanden sein. Spüren wir das Interesse an einem Lehrabschluss, unterstützen wir gerne.

Ist es für Sie wichtig, dass die Lernenden nach dem Abschluss im Betrieb bleiben?
Nein, es gibt keine Verpflichtung. Die meisten Lernenden möchten bleiben, aber ich kann das nie im Voraus garantieren. Eine Lernende hat die Ausbildung soeben abgeschlossen. Sie ist gut unterwegs, wohnt aber etwas weit weg vom Arbeitsort. Wir überlegen gemeinsam, ob es in ihrer familiären Situation nicht besser wäre, wenn sie auf Anfang des nächsten Jahres eine Stelle in unmittelbarer Nähe zu ihrem Wohnort suchen würde. Sie ist alleinerziehende Mutter einer Tochter.

Ein zweiter Lernender ist mitten in der Ausbildung. Wie sieht seine Situation aus?
Es ist ein Mann aus dem Sudan, der vor Jahren an der BAM auf uns zu kam. In der Schnupperlehre lernten wir seine sozialen Qualitäten und seine Hilfsbereitschaft kennen. Er konnte mittlerweile Fuss fassen und steht ein Jahr vor dem FaGe-Berufsabschluss für Erwachsene.  

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