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Berufsevents – Gefragt ist ein guter Mix aus beiden Welten

Jugendliche nutzen für ihre Berufswahl sowohl analoge als auch digitale Messen und Veranstaltungen. Was leisten diese Formate? Haben beide Durchführungsformen Zukunft? Der Berufsbildungsbrief hat sich bei zwei Berner Anbietern umgehört.

Peter Brand

Anschaulich vor Ort ...

Abgesagte Berufsmessen und Infoveranstaltungen, keine Schnupperlehren im direkten Kontakt. Die Corona-Pandemie hält 2020 und 2021 die Schweizer Berufsbildung in Atem. Berufswahl und Lehrstellensuche müssen plötzlich virtuell ausgerichtet werden. Die meisten Eventanbieter entwickeln in dieser Phase digitale Ersatzformate. Plattformen, Berufsvideos und Chatberatung werden zum Standard. Mittlerweile hat sich die Pandemie abgeschwächt, direkte Messen und Veranstaltungen sind wieder möglich. Jugendliche und Lehrbetriebe können sich wieder in der analogen Welt begegnen.

Analoges digital ergänzt

Die virtuellen Formate sind deswegen nicht verschwunden. Im Gegenteil: Sie haben sich mittlerweile einen festen Platz in der Berufswahl gesichert. Das bestätigt Alina Trütsch, Messeleiterin der BERNEXPO AG. «Wir bieten mit der BAM.LIVE und der BAM.CONNECT weiterhin eine physische und eine digitale Berufsmesse an», sagt sie. Die BAM.LIVE ist die Klassikerin. Sie wird im Herbst bereits zum 34. Mal durchgeführt und ist die wichtigste Berufsmesse der Region. Die Jugendlichen können vor Ort eine Vielzahl von Berufen erleben. Lernende stehen für Fragen bereit. Die BAM.CONNECT fand im März zum vierten Mal statt. Dieses Format bietet den Jugendlichen eine interaktive Plattform rund um die Berufswahl. Sie können Berufs- und Ausbildungsprofile einsehen und in Online-Interviews mit Lernenden offene Fragen klären.

oder ortsunabhängig am Bildschirm: Beide Arten der Berufsinformation haben ihre Stärken. (Bilder: BERNEXPO AG)

Für alle Phasen etwas

Ähnlich präsentiert sich die Situation beim Verein Lehrstellennetz. Leiter Michael Raaflaub beschreibt das Angebot wie folgt: «Wir bieten Events für alle Phasen der Berufswahl an», sagt er. Bei der Veranstaltung Lehrberufe Live! geht es darum, die Berufswelt sichtbar zu machen. Hier läuft alles virtuell. Mit einem Klick können die Jugendlichen Lernende bei der Arbeit begleiten. Ganz anders beim Anlass Lehrstellenbörse: Hier wird bewusst auf den direkten Kontakt gesetzt. Die Jugendlichen tauschen sich mit Fachleuten über den gewünschten Beruf aus und arbeiten gleichzeitig an ihrer Auftrittskompetenz. Die Last-Minute-Börse wiederum ist digital organisiert und richtet sich an Jugendliche, die gegen Ende der 9. Klasse oder des Brückenangebots noch keine Anschlusslösung haben. Jugendliche und Lehrbetriebe sind per Video miteinander verbunden und schauen, ob sie sich gegenseitig finden.

Pluspunkte für beide Formate

Michael Raaflaub ist zufrieden mit dem bestehenden Angebotsmix. Lehrberufe Live! lebt von der Sichtbarkeit der Berufsbildung», sagt er. «Hier ist das Digitale ein Vorteil, weil sich die Betriebe mit überschaubarem Aufwand präsentieren können.» Bei der Lehrstellenbörse wiederum sei es ein Segen, dass man sich treffe. Sich direkt zu begegnen, sich in die Augen zu schauen und sich die Hand zu schütteln, sei eine wichtige Kompetenz, die man unterwegs und nicht am Bildschirm lerne. Leichte Abstriche macht Raaflaub einzig bei der Last-Minute-Börse. «Wir haben zwar gute Rückmeldungen seitens der Lehrbetriebe, wissen aber zu wenig darüber, wie die Jugendlichen zurechtkommen.» Zudem verfügten oft gerade Jugendliche mit wenig Unterstützung aus dem Elternhaus zuhause über keine PC-Infrastruktur und seien daher von diesem Angebot ausgeschlossen.

Willkommene Ergänzung

Auch Alina Trütsch zieht eine positive Bilanz über das derzeitige Messeangebot. Das Interesse der Jugendlichen sei für beide Formate unverändert hoch. «Wir haben mit der BAM.LIVE ein unverzichtbares und bewährtes Format», sagt sie. «Die Jugendlichen können sich hautnah und anschaulich über die Berufswelt informieren. Der grosse Pluspunkt ist der direkte Kontakt mit den Ausstellenden.» Die BAM.CONNECT sei eine wichtige und mittlerweile ebenfalls bewährte Ergänzung. Die Jugendlichen könnten bequem von zuhause aus über ihr Handy oder über ihren PC teilhaben. Die Plattform sei orts- und zeitunabhängig zugänglich, ein Nachschlagewerk und eine Inspirationsquelle für die Berufswahl.

Auch eine Frage der Kosten

Die Nachfrage der Wirtschaft, sprich der Vor-Ort-Ausstellenden respektive der Online-Anbietenden, ist bei beiden Formaten gross. Darin sind sich Trütsch und Raaflaub einig. «Wer wo mitmacht, ist sehr individuell», sagt Trütsch. «Es gibt Lehrbetriebe, die explizit Wert auf einen Live-Standauftritt legen, aber auch solche, die bewusst ihren digitalen Auftritt ausbauen.» Da sich nach wie vor viele für beide Formate entscheiden, ist es der Messeleiterin wichtig, die beiden Durchführungsformen künftig noch besser zu verknüpfen. «Die Frage des Formats ist nicht zuletzt auch eine Kostenfrage», betont Raaflaub vom Lehrstellennetz. «Ein Vor-Ort-Anlass kommt einer Messevorbereitung gleich.» Bei digitalen Anlässen sei man bedeutend schlanker unterwegs. Umgekehrt erhalte man vor Ort anschaulichere Eindrücke. Man erfahre direkter, wie jemand daherkomme, spreche oder grüsse.

Es braucht beide Formate

Ist der Trend zur Digitalisierung demnach anhaltend – oder geht es künftig wieder mehr Richtung Live-Event? Raaflaub dazu: «Kein Format ist per se besser als das andere», sagt er. «Es braucht einen Mix, es braucht das Beste aus beiden Welten. Wir optimieren die Angebote laufend.» Dem kann sich Trütsch nur anschliessen. «Auch aus meiner Sicht braucht es längerfristig beide Formate», ist sie überzeugt. «Die digitalen Formate sind da und haben ihren festen Platz. Sie ergänzen sich zusammen mit den unverzichtbaren analogen Formaten zu einem schlagkräftigen Mix.»

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Jede Woche erscheint in Berner Tageszeitungen der «Einsteiger» – ein redaktioneller Beitrag zu den Themen Berufswahl, Berufsbildung, Mittelschulbildung, Weiterbildung.

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