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Lernortkooperation – «Je besser die Partner zusammenarbeiten, desto höher die Ausbildungsqualität»

Das Lernen im Lehrbetrieb, in der Berufsfachschule und in den überbetrieblichen Kursen sollte gut aufeinander abgestimmt sein. Sabine Seufert von der Universität St. Gallen hat untersucht, wie die sogenannte Lernortkooperation mithilfe digitaler Instrumente und Künstlicher Intelligenz (KI) verbessert werden kann.

Rolf Marti

«Wir haben viele positive Ansätze und Beispiele gelungener Lernortkooperation dokumentiert», sagt Sabine Seufert. Bild: zvg.

Starten wir mit einer grundsätzlichen Frage: Warum ist Lernortkooperation (LOK) wichtig?
Die enge Zusammenarbeit zwischen Betrieben, Schulen und überbetrieblichen Kursen (üK) ist entscheidend für die Ausbildungsqualität. Je besser die drei Partner zusammenarbeiten, desto höher die Ausbildungsqualität.

Wie steht es um die LOK: Gibt es Baustellen?
Die Anforderungen in der Arbeitswelt und im Bildungsbereich verändern sich kontinuierlich – vor allem durch den technologischen Fortschritt und die Digitalisierung. Um die Lernenden optimal auf diese Veränderungen vorzubereiten, müssen die Prozesse der LOK permanent angepasst werden.

Welche Rolle spielen digitale Lernplattformen in der LOK?
Sie haben grosses Potenzial, die Verbindung zwischen den Lernorten effizienter und zielgerichteter zu gestalten. Der Einsatz der Lernplattform Realto (siehe Linkliste) ermöglicht bspw. die transparente Dokumentation der Lernfortschritte und fördert so den Austausch zwischen Lernenden, Berufsbildenden und Lehrpersonen.

Verändern Simulationstechnologien wie Virtual Reality (VR) die LOK?
Ja, nachhaltig. Dank VR erleben Lernende praxisnahe Situationen unabhängig davon, ob sie in der Schule, im Betrieb oder im üK sind. Dies ermöglicht eine engere Verzahnung der Lernorte, da alle Beteiligten auf einheitliche, virtuelle Trainings zugreifen können. Die Abstimmung zwischen theoretischen Inhalten und praktischen Fertigkeiten wird besser.

Können Sie ein paar Anwendungsbeispiele schildern?
In der Pflegeausbildung trainieren Lernende bspw. in einer virtuellen Umgebung komplexe Pflegesituationen wie die Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten. In anderen Berufen werden virtuell elektrische Anlagen installiert oder schwere Maschinen bedient. So können anspruchsvolle und risikoreiche Handlungen in sicherer Umgebung geübt werden.

Welche Chancen bietet Künstliche Intelligenz (KI) im Rahmen der LOK?
KI kann die LOK nachhaltig verbessern. So können bspw. Lerninhalte personalisiert und auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten werden. KI-gestützte Analyse-Tools ermöglichen zudem, Lernfortschritte in Echtzeit zu überwachen und Feedbacks direkt an Lehrpersonen und Berufsbildende zu geben, was eine engere Kooperation ermöglicht. Und: KI kann Routineaufgaben automatisieren, etwa das Erstellen von Lernmaterialien. So bleibt mehr Zeit für das Coaching der Lernenden.

Welche Verantwortung tragen die drei Lernorte im Rahmen der LOK?
Die Betriebe sind dafür verantwortlich, den Lernenden praxisnahe Erfahrungen zu ermöglichen und sicherzustellen, dass sie die vermittelten Kompetenzen im Arbeitsumfeld anwenden können. Die Schulen tragen die Verantwortung, handlungsleitendes Wissen systematisch aufzubauen und den Kompetenzerwerb zu stärken. Sie müssen sicherstellen, dass die Lerninhalte den Anforderungen der Arbeitswelt entsprechen und eng mit den betrieblichen Ausbildungsinhalten verzahnt sind. Das bedingt einen regelmässigen Austausch mit den Betrieben. Die üK haben die Aufgabe, das Wissen und die Fähigkeiten aus Schule und Betrieb zu ergänzen und zu vertiefen – mit Inhalten, welche die Lernenden in der Praxis anwenden können. Alle Lernorte sind gleichermassen aufgefordert, offen zu kommunizieren und sich regelmässig abzustimmen.

Wie profitieren Berufsbildende in Lehrbetrieben von den Resultaten Ihrer Forschung?
Wir haben viele positive Ansätze und Beispiele gelungener LOK dokumentiert. Berufsbildende können von diesen «Good Practices» lernen, um ihre Lernenden gezielter und effektiver zu betreuen. Zudem erforschen wir, wie KI die Wirksamkeit von Bildungsprozessen verbessern kann. Auch von diesen Erkenntnissen können die Berufsbildenden profitieren.

Projekt «Zukunftsmodelle der Lernortkooperation»

Wie kann die Lernortkooperation mithilfe digitaler Instrumente (insbesondere KI) gestärkt werden? Das war die zentrale Frage im Projekt «Zukunftsmodelle der Lernortkooperation». Im Rahmen des Projekts wurden die Rollen der drei Lernorte geklärt, Good-Practice-Beispiele aufgezeigt, Möglichkeiten zur besseren Organisation digitaler Bildungsprozesse entwickelt und Handlungsempfehlungen für die Verbundpartner abgeleitet. Das Projekt wurde 2023 abgeschlossen. Das Institut für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien der Universität St. Gallen hat es im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) geführt.

Zur Person

Sabine Seufert ist ordentliche Professorin für Wirtschaftspädagogik an der Universität St. Gallen und leitet das Institut für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien (IBB-HSG). Sie forscht in den Themen «Bildungsmanagement», «Bildungstechnologien», «Digitale Kompetenze», «Digitale Transformation in der Bildung», «Künstliche Intelligenz in der Bildung», «Digitales, smartes Lehren und Lernen».  

  • Projektwebsite Lernortkooperation

  • Good-Practice-Beispiele

  • Fachbeitrag 1 (Magazin Transfer)

  • Fachbeitrag 2 (Magazin Transfer)

  • Lernplattform Rialto

Jede Woche erscheint in Berner Tageszeitungen der «Einsteiger» – ein redaktioneller Beitrag zu den Themen Berufswahl, Berufsbildung, Mittelschulbildung, Weiterbildung.

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