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Neue Berufe – Die zentrale Frage lautet, was braucht der Arbeitsmarkt?

Der Arbeitsmarkt verlangt nach immer neuen Kompetenzen. Die Berufsbildung muss sie vermitteln. Sie tut dies, indem sie bestehende Berufe revidiert oder neue schafft. Wie ein neuer Beruf entsteht, zeigt das Beispiel «Entwickler/-in digitales Business EFZ».

Rolf Marti

Manchmal geht es schneller, als man denkt: Im Herbst 2020 trafen sich Fachleute aus Wirtschaft und Technik, um über einen neuen Beruf nachzudenken. Er sollte die Lücke an der Schnittstelle der beiden Disziplinen schliessen. Knapp zwei Jahre später, im Juni 2022, gab der Bund grünes Licht für den Beruf «Entwickler/-in digitales Business EFZ», im Sommer 2023 starten die ersten Lernenden in die Ausbildung.

Viel Arbeit

Trägerin des neuen Berufs ist ICT-Berufsbildung Schweiz, die Organisation der Arbeitswelt für die Berufe der Informations- und Kommunikationstechnologien. «Bei der Revision des Berufs ‹Informatiker/-in EFZ› wurde festgestellt, dass Kompetenzen an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik fehlen», sagt Stefanie Zehr. «Es war rasch klar, dass wir diese Kompetenzen nicht der Informatikausbildung aufpfropfen können.» Stefanie Zehr ist Co-Projektleiterin und arbeitet gemeinsam mit Projektleiter Matthias Bauhofer im Projekt «Entwickler/-in digitales Business EFZ».

Also ein neuer Beruf. Doch: Wie geht das? Matthias Bauhofer: «Wir haben im kleinen Kreis ein grobes Berufsbild skizziert und auf dieser Basis eine Berufsfeldanalyse gestartet, um die Frage zu klären: Braucht es das? Die Antwort war ein klares Ja. Also haben wir uns an die Arbeit gemacht.» Und davon gab es genug: Qualifikationsprofil erstellen, Bildungserlasse formulieren, Anhörungen durchführen, Umsetzung organisieren, Berufsmarketing aufsetzen, Kommunikation sicherstellen … (siehe Kasten 1).

Viele Herausforderungen

Welches sind die zentralen Herausforderungen bei der Entwicklung eines neuen Berufs? Matthias Bauhofer: «Zuerst braucht es ein gemeinsames Verständnis: Welche Kompetenzen soll der Beruf abdecken? Das muss eindeutig geklärt werden». Dabei stellen sich Abgrenzungsfragen zu anderen Berufen: Wo gibt es Überschneidungen? Matthias Bauhofer: «Wir haben die definierten Handlungskompetenzen mit jenen der ICT-Berufe wie auch mit jenen im Beruf ‹Kauffrau/Kaufmann EFZ› abgeglichen. Mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kaufleute haben wir früh und kontinuierlich zusammengearbeitet.»

Stefanie Zehr sieht weitere Herausforderungen: «Man darf bei allen Details nie die zentrale Frage aus den Augen verlieren: Was braucht der Arbeitsmarkt? Jeder Schritt muss mit der Praxis abgeglichen werden.» Und: «Der Prozess muss breit abgestützt sein. Wir haben Vertreterinnen und Vertreter aus allen Lernorten, aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Grössen sowie aus allen Sprachregionen einbezogen. Zudem hatten wir von Anfang an eine pädagogische Begleitung. Das alles macht die Entwicklung eines neuen Berufs zu einer anspruchsvollen Managementaufgabe.»

Viel Herzblut

«Die Entwicklung eines neuen Berufs ist ein enormer Kraftakt», sagen Stefanie Zehr und Matthias Bauhofer übereinstimmend. Die Geschäftsstelle hat gegen 2000 Arbeitsstunden investiert, in den Arbeitsgruppen fielen weitere 2500 Stunden an – in der Regel Freiwilligenarbeit. «Da steckt viel Herzblut drin», sagt Stefanie Zehr.

Doch der Aufwand lohnt sich. «Wir rechnen mit 150 Lehrverhältnissen auf Sommer 2023», sagt Matthias Bauhofer. Eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, dass kleinere und mittlere Betriebe bei der Einführung eines neuen Berufs meist mit Verzögerung einsteigen. Den eigentlichen «Run» erwartet ICT-Berufsbildung Schweiz daher in den Jahren 2024 und 2025.

In fünf Schritten zum neuen Beruf

Der neue Beruf «Entwickler/-in digitales Business EFZ» wurde in fünf Schritten erarbeitet.

  • April 2021, Analyse: Nach dem internen Entscheid, ein neues Berufsbild zu entwickeln, erfolgt eine Berufsfeldanalyse, an welcher knapp 500 Unternehmen teilnehmen.
  •  September 2021, Vor-Ticket SBFI und Qualifikationsprofil: Mit dem Vor-Ticket erteilt das SBFI grünes Licht für die Entwicklung des neuen Berufs. Zwischen September und Dezember 2021 wird das Qualifikationsprofil, welches die Handlungskompetenzen eines Berufs beschreibt, weiterentwickelt. Von ihm werden die Bildungserlasse für die drei Lernorte abgeleitet.
  • Dezember 2021, Bildungserlasse: Bildungsverordnung und Bildungsplan sind erarbeitet. Sie enthalten die rechtlichen Grundlagen des Berufs, beschreiben die zu vermittelnden Handlungskompetenzen, definieren das pädagogische Konzept sowie die Instrumente zur Sicherung der Qualität.
  • März 2022, Interne Anhörung: Die Bildungserlasse werden bei den involvierten Organisationen vernehmlasst. Nach Abschluss der Anhörung erfolgt der Ticketantrag beim SBFI.
  • Juni 2022, Erlass und Genehmigung: In einer zweiten Anhörung beziehen externe Organisationen Stellung. Nach der Prüfung der Bildungserlasse und der Rückmeldungen beurteilt das SBFI den neuen Beruf abschliessend und erteilt die Bewilligung.
  •  Seit Juni 2022, Umsetzung: Für alle Lernorte werden Bildungskonzepte und Bildungsinstrumente erarbeitet. Parallel dazu läuft das Berufsmarketing.

Berufsbild

Entwicklerinnen und Entwickler digitales Business EFZ sind Profis für digitale Lösungen. Die Ausbildung dauert vier Jahre. Mehr dazu im Video und unter

www.ict-berufsbildung.ch/digital-business

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