Ob auf der Baustelle, im Baumeisterverband oder im Gemeinderat: Barbara Pulfer denkt Berufsbildung immer mit. Wie die Bauführerin junge Frauen für den Maurerberuf begeistern will und warum sie Botta mag und Kohl nicht, erzählt sie im Interview.
Rolf Marti

Sie haben nach der Lehre als Hochbauzeichnerin die Lehre als Maurerin gemacht. Zeigt sich da eine Ihrer Charaktereigenschaften: Sie setzen Ihre Pläne gerne selber um?
Vielleicht … (schmunzelt). Im Ernst: Ich hatte falsche Vorstellungen vom Zeichnerberuf. Als Zeichnerin entwirft man keine Bauten; man zeichnet Pläne nach Vorgabe der Architektinnen und Architekten. Deshalb habe ich eine Zweitlehre als Maurerin gemacht. Da kann man anpacken und umsetzen.
Sie engagieren sich stark für die Berufsbildung: bei der Wirz AG als Ausbildungsverantwortliche für den Maurerberuf, in der üK-Kommission des Baumeisterverbands oder als Prüfungsexpertin. Warum so viel Berufsbildung?
Lernende sind die Fachkräfte von morgen. Wir müssen sie so ausbilden, dass sie nach der Lehre motiviert sind, im Betrieb zu bleiben und sich innerhalb der Branche weiterzubilden. Nur so können wir dem Fachkräftemangel vorbeugen. Diese Botschaft gebe ich allen Vorgesetzten auf der Baustelle mit.
Zwischenfrage: Kennt eine Prüfungsexpertin auch Prüfungsangst?
Ja, ich hatte auch welche. Dank dieser Erfahrung kann ich mich heute in die Situation von Lernenden versetzen, die zuweilen meinen, die Prüfungsexpertinnen und -experten würden sie aufessen ... (lacht). Aber das tun wir nicht. Wir prüfen fair und können unterscheiden, ob jemand etwas nicht weiss oder ob jemand aus Nervosität sein Wissen nicht abrufen kann.
Die Wirz AG beschäftigt sechszehn Bauführer und eine Bauführerin. Wie wollen Sie mehr Frauen in die Baubranche holen?
Wenn ich das wüsste, würde ich es tun. Was ich versuche: als Vorbild in der Öffentlichkeit zu wirken. So, wie mit diesem Interview. Aber letztlich ist es eine Frage der Persönlichkeit, ob sich eine junge Frau den Einstieg in die Baubranche zutraut.
Sie sind auch Politikerin. Was können Sie als Gemeinderätin von Moosseedorf für die Berufsbildung bewirken?
Ich lobbyiere in allen Gremien, in denen ich tätig bin, für die Berufsbildung. Denn: Man muss nicht an die Uni gehen, um Karriere zu machen. Der CEO der Wirz AG ist ebenfalls als Zeichner und Maurer ins Berufsleben gestartet.
Bitte treffen Sie nachfolgend eine Wahl und begründen Sie diese kurz. Tiefbau oder Hochbau?
Hochbau. Da bleibt das Resultat sichtbar und verschwindet nicht im Untergrund.
Wirz (Bauunternehmen) oder Wirz (Gemüse)?
Wirz Bauunternehmung. Kohl ist nicht nach meinem Geschmack.
Botti* oder Botta?
Botta. Mir gefällt seine Architektur.
Zum Schluss: Welche Ziele wollen Sie im Bereich Berufsbildung 2025 erreichen?
Ziel Nummer eins: Ich möchte alle vier Maurerlehrstellen, die ich zu vergeben habe, mit motivierten jungen Menschen besetzen. Ziel Nummer zwei: Unter den neuen Lernenden sollte mindestens eine Frau sein. Ziel Nummer drei: Ich möchte alle Lernenden im dritten Lehrjahr zu einem erfolgreichen Lehrabschluss führen.
*) Um den Riesen Botti ranken sich zahlreiche Geschichten. Der Sage nach lebte er im Gebiet der heutigen Gemeinde Moosseedorf.
Zur Person
Barbara Pulfer arbeitet seit über 30 Jahren als Bauführerin bei der Wirz AG in Bern. Sie war die dritte Frau, die in der Schweiz diesen Berufsabschluss erlangte. Beim Baumeisterverband engagiert sie sich kantonal im Ressort «Bau», national als Präsidentin der «Aufsichtskommission überbetriebliche Kurse». Darüber hinaus nimmt sie weitere Funktionen im Ausbildungswesen der Baubranche wahr, u. a. als Prüfungsexpertin. Im Nebenamt arbeitet Barbara Pulfer seit 2020 als Gemeinderätin von Moosseedorf.
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