Wie kommuniziere ich mit meinen Lernenden? Wie gehe ich mit allfälligen Konflikten um? Das sind zwei bedeutende Fragen für angehende Berufsbildende. Kursleiter Jean-Pierre Zürcher sagt, was er den Kursteilnehmenden diesbezüglich mit auf den Weg gibt.
Peter Brand

Herr Zürcher, Sie führen an der BFF Bern regelmässig Berufsbildungskurse durch. Was ist in Ihren Augen das Wichtigste, das Sie den Kursteilnehmenden beibringen?
Sie sollen die Bedeutsamkeit Ihrer Rolle erkennen und engagiert einlösen. Sie sind wesentliche Bezugspersonen in einer wichtigen Entwicklungsphase der Jugendlichen. In erster Priorität gilt es, eine Beziehung, ein Klima des Vertrauens aufzubauen. Ich sage bewusst aufbauen, denn eine gute Beziehung und Vertrauen muss man sich erarbeiten. Berufsbildende müssen sich bewusst sein, dass ihre Handlungen, Interventionen und Forderungen nur dann Wirkung zeigen, wenn ihnen ein Vertrauensverhältnis zugrunde liegt. Die Jugendlichen müssen den positiven Antrieb erkennen, die Absicht, aus ihnen guten Berufsleute zu machen und sie auch als Menschen weiterzuentwickeln.
Wie kann das alles erreicht werden?
Aus meiner Sicht als Erziehungswissenschaftler stehen den Berufsbildenden zwei pädagogische Mittel zur Verfügung: Widerstand und Unterstützung. Es ist absolut notwendig, den Jugendlichen Widerstand zu bieten, weil Widerstand auch Orientierungshilfe bedeutet. Selbstverständlich müssen Form und Art des Widerstandes reflektiert eingesetzt werden. Dabei steht die Angemessenheit der Massnahme als Referenzrahmen im Zentrum. Im Endeffekt gelten aber die Pole «verhandelbar» oder «nicht-verhandelbar». Das Unterstützen von Jugendlichen in schwierigen und herausfordernden Situationen ist ebenso bedeutsam. Unterstützen ist aber nicht zu verwechseln mit übernehmen. Lernende sollen schwierige und herausfordernde Situation selbst lösen. Sie dürfen aber dabei auf Unterstützung, Training, Vorbereitung und Beratung zählen. Wird Ihnen das Lösen von schwierigen Situationen abgenommen, wird Persönlichkeitsentwicklung verhindert. Die Jugendlichen werden nie erfahren, wie es sich anfühlt, anspruchsvolle Situation gemeistert zu haben – was für ein Verlust.
Ein wichtiger Kursinhalt ist das Thema Konfliktführung/Kommunikation. Was müssen die Kursteilnehmenden dazu wissen?
Sie müssen wissen, dass unterschwellige, nicht augenfällige Konflikte oft nicht erkannt werden. Es gilt daher, sie dafür zu sensibilisieren. Weiter müssen sie wissen, dass sich ihre momentane Befindlichkeit und ihre innere Haltung respektive ihr Menschenbild auf ihr Konfliktverhalten und ihre Kommunikation auswirken und dass Kommunikationstipps die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ausgangs wesentlich erhöhen, aber nie garantieren.
Wie arbeiten Sie im Kurs an diesem Thema?
Da ich immer wieder im Austausch mit Berufsbildenden stehe, werden mir schwierige Situation zugetragen, welche ich dann thematisch im Kurs aufgreife. Wir simulieren Gespräche und analysieren sie gemeinsam auf Stärken und Schwächen hin.
Ihre wichtigste Botschaft in Sachen Konfliktlösung?
Die Bereitschaft eines Perspektivenwechsel der involvierten Personen bildet die Basis für eine Konfliktlösung. Selbst in einer Konfliktsituation will sich das Gegenüber angenommen und verstanden fühlen. Aufkommende Bilder und Eindrücke im Gespräch sind immer Konstruktionen, die es fragend zu prüfen gilt. Nehme ich richtig wahr, dass …? Kann es sein, dass…? Verstehe ich richtig, dass …?
Ihre wichtigste Botschaft in Sachen Kommunikation?
Grundsätzlich gilt es zu erwähnen, dass die persönliche Haltung, das Menschenbild einer Person sich immer in der Kommunikation abbilden wird. Ein Denken in Kasten (zum Beispiel, wenn ein Studienabgänger sich gegenüber Nicht-Studienabgängern für etwas Besseres hält) oder in Hierarchien wird sich durch kein kommunikatives Mittel, keine Empfehlung überdecken lassen. Ein Gegenüber wird diese innere Haltung des Gegenübers immer wahrnehmen, selbst beim Versuch des Senders, dieses durch eine aufgesetzte Freundlichkeit kaschieren zu wollen. Deshalb meine Überzeugung: Kommunikationsentwicklung geht mit Persönlichkeitsentwicklung einher. Menschen stärken, Sachen klären. Das ist ein pädagogischer Grundsatz den es – und zwar in dieser Reihenfolge – in der Kommunikation zu praktizieren gilt.
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