Das Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA) vermittelt als neutrale Fachstelle bei Konflikten zwischen Lernenden und Lehrbetrieben – beispielsweise bei (drohenden) Lehrvertragsauflösungen. Im Gespräch: Ausbildungsberaterin Barbara Rebsamen und Ausbildungsberater Thomas Bütikofer.
Rolf Marti
Es gibt gute Gründe, die Auflösung eines Lehrverhältnisses zu erwägen. Wann sollten sich Lehrbetriebe und Lernende an die Ausbildungsberatung wenden?
B.R.: Wenn Unklarheiten zum Auflösungsprozess bestehen, rechtliche Unsicherheiten auftauchen oder Konflikte drohen. Auskünfte zum Prozess und zur rechtlichen Situation erteilen wir am Telefon oder per E-Mail, bei Konfliktsituationen gehen wir vor Ort oder bitten die Parteien ins Amt.
Welche Rolle übernimmt die Ausbildungsberatung in einer Konfliktsituation?
T.B.: Wir vermitteln als neutrale Fachstelle – egal, ob wir vom Lehrbetrieb oder von den Lernenden bzw. deren Eltern beigezogen werden. Unsere Rolle besteht darin, eine für beide Seite akzeptable Lösung zu finden. Das bedeutet: Wir moderieren, beraten, unterstützen und vermitteln. Hat eine der Lehrvertragsparteien gesetzliche Vorschriften verletzt, so informieren wir die Parteien im Rahmen unserer Aufsichtspflicht.
Hat die Ausbildungsberatung bei Lehrvertragsauflösungen keine Entscheidungsbefugnis?
T.B.: Nein. Der Lehrvertrag ist ein befristeter Einzelarbeitsvertrag mit einigen Besonderheiten. Wir haben die Aufsicht, entscheiden aber nicht. Kommt es zu keiner Einigung, können sich die Parteien an die Schlichtungsbehörde wenden.
Wo liegen die Herausforderungen für die Ausbildungsberaterinnen und -berater, wenn sie bei einer drohenden Lehrvertragsauflösung beigezogen werden?
T. B.: Die Parteien haben oft unterschiedliche Erwartungen. Insbesondere Lernende und Eltern erhoffen sich, dass wir ihre Interessen vertreten. Also müssen wir zuerst einmal unsere Funktion erklären respektive unsere Rolle erläutern. Dann sind Konfliktsituationen häufig emotional aufgeladen. Die Parteien konfrontieren sich mit Anschuldigungen. Wir müssen also ein lösungsorientiertes Klima schaffen.
Abgesehen von der Gesprächsmoderation: Welche Unterstützung bietet Sie an?
B.R.: Wir zeigen Alternativen zur Lehrvertragslösung auf. Bei ungenügenden Leistungen der Lernenden können beispielsweise ein Stufenwechsel von einer EFZ- in eine EBA-Ausbildung oder die gezielte Förderung durch den Lehrbetrieb oder die Berufsfachschule helfen. Kommt es doch zur Vertragsauflösung, zeigen wir, wie der Prozess strukturiert werden kann.
T. B.: Betroffenen Jugendlichen helfen wir, eine neue Lehrstelle zu finden. Oder wir vermitteln sie an weiterführende Angebote wie die Berufsberatung oder das Case-Management. Den Lehrbetrieben helfen wir, nach einer Lehrvertragsauflösung Stolpersteine zu identifizieren, sodass sie künftig schwierige Situationen rechtzeitig erkennen und im Idealfall Lehrvertragsauflösungen vorbeugen können.
Welches sind die häufigsten Stolpersteine?
B.R.: Die Gründe für eine Lehrvertragsauflösung sind vielfältig. Am häufigsten handelt es sich um Konflikte zwischen den Lehrvertragsparteien, gesundheitliche Einschränkungen oder Nichterreichen der Bildungsziele. Manchmal wurden auch Fehler bei der Selektion gemacht und Lernende angestellt, welche die Anforderungen des Berufs nicht erfüllen.
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