Wenn Lernende versuchen, mit einem gefälschten Arztzeugnis der Arbeit fernzubleiben, ist das ein schwerwiegendes Vergehen. Wie reagieren Lehrbetriebe in dieser Situation zielführend?
Rolf Marti
Ein gefälschtes Arztzeugnis ist juristisch betrachtet eine Urkundenfälschung – also strafbar. Aus betrieblicher Sicht ist es ein Grund für eine fristlose Kündigung. Allerdings muss zuerst bewiesen werden, dass ein Arztzeugnis tatsächlich gefälscht worden ist. Genauer hinschauen sollten Lehrbetriebe, wenn
• Lernende wiederholt Arztzeugnisse einreichen, die von derselben Praxis mit derselben Diagnose ausgestellt worden sind und einzig ein anderes Datum tragen;
• Arztzeugnisse einen inkonsistenten Schreibstil, ein ungewöhnliches Format oder unglaubwürdige Stempel und Unterschriften aufweisen.
Bei einem Verdacht auf Fälschung kann der Lehrbetrieb bei der Arztpraxis bzw. beim Spital nachfragen, ob für die deklarierte Zeit ein Arztzeugnis ausgestellt worden ist. Die Diagnose selbst unterliegt jedoch dem Arztgeheimnis. Sollten Zweifel bestehen, ob überhaupt eine Erkrankung vorliegt, hat der Lehrbetrieb das Recht, eine Untersuchung bei einem Vertrauensarzt bzw. einer Vertrauensärztin zu verlangen. Die Kosten dafür trägt der Lehrbetrieb.
Bestätigt sich der Verdacht auf eine Fälschung, sollte die betreffende Person umgehend zur Rede gestellt werden (bei Minderjährigen unter Einbezug der gesetzlichen Vertretung). Das Gespräch muss nicht zwingend mit einer Kündigung enden. Vielleicht gibt es nachvollziehbare Gründe für das fehlbare Verhalten: Überforderung am Arbeitsplatz, Probleme im privaten Umfeld, psychische Belastungen usw. In diesem Fall kann der Betrieb seine Unterstützung anbieten oder die Lernenden an eine Fachstelle verweisen – und es bei einer Verwarnung belassen.
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