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Integrationsvorlehre – 76 Prozent der Vorlernenden starten eine Lehre

Dank der Integrationsvorlehre gelingt vielen migrierten oder geflüchteten Personen der Einstieg in eine berufliche Grundbildung. Das zeigen neue Zahlen. Im Gespräch: Jasmina El Mohib. Sie ist im Kanton Bern verantwortlich für die Umsetzung der Integrationsvorlehre.

Rolf Marti

«Das Engagement der Betriebe ist sehr erfreulich», sagt Jasmina El Mohib.

Der Kanton Bern beteiligt sich am nationalen Programm «Integrationsvorlehre», nennt das Angebot aber schlicht «Vorlehre». Weshalb?
Wir haben auf das Schuljahr 2022/23 einen neuen Rahmenlehrplan für die Vorlehre eingeführt. Anstelle der drei zielgruppenspezifischen Angebote «Vorlehre Standard», «Vorlehre Integration» und «Vorlehre 25+» ist ein einheitliches, integratives Modell getreten. Die Bundesvorgaben für die Integrationsvorlehre setzen wir innerhalb dieses Modells um.

Welche Vorteile bringt diese Neuausrichtung?
Wir können die Vorlernenden gezielter fördern. Früher wurden sie aufgrund spezifischer Merkmale einem der drei Angebote zugeteilt und erhielten die entsprechende Förderung. Jetzt erheben wir bei allen Teilnehmenden den individuellen Bedarf und bestimmen darauf basierend die Fördermassnahmen. Zudem erfolgt der Unterricht an der Berufsfachschule berufsfeldspezifisch. Der neue Lehrplan bringt noch weitere Vorteile: Heute kann in fast jedem Berufsfeld eine Vorlehre absolviert werden – insbesondere auch in Berufsfeldern, die Frauen ansprechen. Dadurch haben wir heute gleich viele Frauen wie Männer in der Vorlehre. Das war unter dem alten Modell der Integrationsvorlehre nicht der Fall. Was die Betriebe betrifft: Sie haben deutlich weniger administrativen Aufwand.

Die Integrationsvorlehre wurde 2018 lanciert. Mit welchen Zielen?
Der Bund will anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene besser in die Arbeitswelt und die Gesellschaft integrieren und so das Sozialhilferisiko senken. Seit 2021 haben auch Personen aus EU-, EFTA- und Drittstaaten ohne Abschluss auf Sekundarstufe II Zugang zur Integrationsvorlehre. Gleiches gilt seit 2022 für Personen mit Schutzstatus S.

Welche Voraussetzungen muss jemand erfüllen, um eine Integrationsvorlehre zu starten?
Sie oder er muss einen Vorlehrvertrag mit einem Betrieb abschliessen und in der Unterrichtssprache mindestens den Sprachstand A2 aufweisen (siehe «Links»).

Die Sprachförderung ist ein zentraler Bestandteil der Integrationsvorlehre. Wie erfolgt sie?
Im Sprachunterricht schliessen die Teilnehmenden gezielt Lücken in den sprachlichen Grundfertigkeiten. Zu Beginn des zweiten Semesters wird ihr Sprachstand erhoben. Bei Bedarf können sie mit dem Einverständnis des Vorlehrbetriebs an einem zusätzlichen Halbtag Intensivsprachkurse besuchen. Übrigens: Das integrative Modell wirkt auch in diesem Bereich positiv. Da die Klassen nicht mehr nach Zielgruppen getrennt sind, ist die sprachliche Durchmischung höher. Das fördert den Spracherwerb.

Profitieren die Lernenden von einem Coaching?
Ja. Sie werden von der Berufsfachschule gecoacht. Dabei geht es um Fragen zur Berufswahl, um die Erhebung der Lernfortschritte oder die Begleitung beim Übertritt in die berufliche Grundbildung. Auch betriebliche, private und gesundheitliche Probleme werden erörtert. Die Interventionen der Coachs beschränken sich jedoch auf Zuhören, Einholen und Weiterleiten von Informationen sowie Hilfestellungen bei der Kontaktaufnahme mit Fachstellen und zukünftigen Lehrbetrieben.

Wer eine Vorlehre absolvieren will, braucht einen Lehrbetrieb. Sind die Betriebe bereit, migrierte und geflüchtete Personen auszubilden?
Ja. Rund die Hälfte der Vorlernenden ist nicht in der Schweiz aufgewachsen bzw. nicht hier zur Schule gegangen. Das Engagement der Betriebe ist sehr erfreulich.

Diesen Sommer ist eine nationale Evaluation zur Integrationsvorlehre erschienen (siehe Kasten). Wie lauten die zentralen Erkenntnisse für den Kanton Bern?
Im Schuljahr 2022/23 haben 86 Prozent der Teilnehmenden der genannten Zielgruppe die Vorlehre abgeschlossen, 76 Prozent sind in eine berufliche Grundbildung übergetreten. In absoluten Zahlen bedeutet dies: 117 Teilnehmende haben die Vorlehre beendet, 54 haben eine EBA-Grundbildung angefangen, 35 eine EFZ-Grundbildung. Die Resultate sind auch deshalb so gut, weil der Kanton Bern wirkungsvolle vorgelagerte Angebote wie das berufsvorbereitende Schuljahr Praxis und Integration hat. Es ist ein wichtiger Zubringer zur Vorlehre.

Wie muss ein Betrieb vorgehen, der eine Vorlehre anbieten möchte?
Betriebe, die Lernende ausbilden, haben eine Ausbildungsbewilligung. Finden sie eine passende Person, können sie über das Lehrstellenportal oder über unsere Website den Vorlehrvertrag einreichen. Betriebe ohne Ausbildungsbewilligung melden sich bei der Ausbildungsberatung (alle Links unten). Übrigens: Vorlehrverträge für das laufende Schuljahr können bis Ende Januar 2025 abgeschlossen werden.

  • Vorlehre Kanton Bern

  • Lehrstellennachweis (Lena)

  • Lehrbetriebsportal

  • Anmeldeformular Vorlehre

  • Sprachstand (Europäischer Referenzrahmen)

Nationale Evaluation «Integrationsvorlehre»

Die Pädagogische Hochschule Bern (PHBern) hat das Pilotprojekt «Integrationsvorlehre» schweizweit evaluiert. Befragt wurden mehr als 2700 Teilnehmende sowie betriebliche Ausbildende, Lehrpersonen, Coaches und Ansprechpersonen aus allen 18 teilnehmenden Kantonen. Die befragten Vorlernenden (73% Männer) waren durchschnittlich 25 Jahre alt und stammten mehrheitlich aus Eritrea, Afghanistan und Syrien. Die Teilnehmenden zeigten sich mit der betrieblichen und schulischen Ausbildung sehr zufrieden. Mehr als vier Fünftel von ihnen schlossen die Vorlehre erfolgreich ab, rund 70% begannen danach eine berufliche Grundbildung (EBA oder EFZ).  

Jede Woche erscheint in Berner Tageszeitungen der «Einsteiger» – ein redaktioneller Beitrag zu den Themen Berufswahl, Berufsbildung, Mittelschulbildung, Weiterbildung.

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