Wer als Kind «e chli Seich» macht, kann es weit bringen. Barbara Gisi beweist es. Sie leitet heute das Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Bern.
Rolf Marti
2022 hatten wir im Dezember den Samichlous im Köpfe-Interview. Bedeutet er Ihnen etwas?
Ich erinnere mich gerne an ihn – wenn auch mit gemischten Gefühlen.
Warum?
Weil ich zuweilen «e chli Seich» gemacht habe als Kind.
Erzählen Sie.
Da setze ich den Joker … (lacht). Mehrheitlich habe ich mich auf den Samichlous gefreut. Sein Besuch ist ja wie eine Art Mitarbeitergespräch für Kinder: Man erfährt, was man gut gemacht hat und wo man besser werden könnte. Seit er mich nicht mehr besucht, vermisse ich ihn.
Der Samichlous meinte, sein Beruf sei nichts für Frauen. Kinder hätten eine fixe Vorstellung von ihm: tiefe Stimme, weisser Bart. Was sagen Sie als Frau und höchste Berufsbildungsverantwortliche des Kantons dazu?
So ist die Realität: Einige Berufe sind überwiegend von Frauen besetzt, andere eher von Männern. Ich kann mir den Samichlous auch nicht als Frau vorstellen. Gleichbehandlung der Geschlechter ist wichtig, doch es gibt auch Traditionen.
2023 neigt sich dem Ende zu. Der Moment für Rück- und Ausblicke. Worüber haben Sie sich im vergangenen Jahr – bezogen auf die Berufsbildung – am meisten gefreut?
Wir haben eine Digitalisierungsstrategie für die Sek-II-Schulen des Kantons erarbeitet. Damit machen wir Lernende wie Lehrpersonen fit für die moderne Arbeitswelt. 2024 beginnen wir mit der Umsetzung. Zudem haben wir 80 Prozent der Lehrverträge über das neue digitale Lehrbetriebsportal abgewickelt. Die Digitalisierung der Lehrvertragsprozesse entlastet die Lehrbetriebe und die Verwaltung. Eine Win-Win-Situation.
Worüber haben Sie sich am meisten geärgert?
Es gab kein grösseres Ärgernis. Aber fragen Sie mich, was mich im Arbeitsalltag nervt.
Was nervt Sie im Arbeitsalltag?
Fehlender Veränderungswille. Also die Bereitschaft, Gewohntes zu hinterfragen. Und die Angst, Fehler zu machen. Das führt zu zähflüssigen Prozessen.
Was werden Sie 2024 umsetzen, was Sie lieber 2023 umgesetzt hätten?
Das Projekt Wissensmanagement. Wir wollen das grosse Know-how im Mittelschul- und Berufsbildungsamt optimal erschliessen und für alle Mitarbeitenden zugänglich machen. Damit setzen wir Ressourcen für Innovationen und für unsere Anspruchsgruppen frei.
Welche beruflichen Highlights warten 2024 auf Sie?
Mmhh: Die nächsten SwissSkills finden erst 2025 statt … Aber es erwarten mich viele kleine Highlights. Dazu gehört der facettenreiche und oft inspirierende Austausch mit unseren Stakeholdern und mit der Wirtschaft.
Carte blanche: Was wollten Sie unseren Leserinnen und Lesern schon lange sagen?
Dasselbe, was ich seit Langem sage: In der Berufsbildung leisten viele Menschen an unterschiedlichen Stellen eine gesellschaftlich wertvolle Arbeit. Sie alle dürfen stolz auf ihre Tätigkeit sein. Wir haben auch dieses Jahr einige Delegationen aus dem Ausland empfangen und ihnen das Berufsbildungssystem der Schweiz vorgestellt. Alle waren beeindruckt.
Zur Person
Barbara Gisi (56) hat Jurisprudenz studiert und sich in den Bereichen Betriebswirtschaft, Personalführung und politische Kommunikation weitergebildet. Sie war während acht Jahren Direktorin des Schweizer Tourismus-Verbands und während sieben Jahren in der Geschäftsleitung des Kaufmännischen Verbands Schweiz, davon vier Jahre als stellvertretende Generalsekretärin. Seit August 2021 leitet sie das Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Bern.
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